Review 7TV Feature-Pack: “Vlad’s Army”

Eine Horde von Nazi-Vampiren landet im Zweiten Weltkrieg an der englischen Küste und verbreitet Angst und Schrecken. Doch eine Gruppe unerschrockener Veteranen stellt sich den Blutsaugern mutig in den Weg. Was zweifellos der Plot eines Trashfilmes sein muss, ist der Kern von “Vlad’s Army”, einem Feature-Pack für 7TV Inch High Spy-Fi. Was den Spieler erwartet, stelle ich in diesem Review vor.

Feature-Pack: Ein liebgewonnenes Format

Ich habe nun schon ein paar Feature-Packs für 7TV hier vorgestellt. Kurz gesagt, erweitern sie das Grundspiel um ein bestimmtes Filmgenre und liefern dafür neue Profile, Artefakte, Sonderregeln und eine kleine Kampagne. Bisher habe ich “Orsa the Fearless” für 7TV Fantasy und “Lurkers from the Deep” für 7TV Pulp. “Vlad’s Army” ist für 7TV Inch High Spy-Fi vorgesehen, ich wüsste aber nicht, warum man es nicht auch für Pulp verwenden sollte. Thematisch passt es dort sehr gut hin und mit dem neuen Regelbuch dürfte diese Sortierung dann auch hinfällig sein.

Mir gefällt das Format nach wie vor sehr gut, da die Feature-Packs schlanke Erweiterungen sind, durch die man mit einfachen Mitteln schnell das Spiel an ein Genre anpassen und sich richtig darin suhlen kann, ohne dass zu großer Aufwand betrieben werden müsste. Na klar, auch die VHS-Hülle und die ganze Retro-Verpackung sprechen den Nerd in mir an, so dass sich regelmäßig ein rundherum schönes Produkt ergibt. Worum geht es dieses mal genau?

Das schaurige Spiel mit dem Weird War

Mit Vlad’s Army werden Weird War Szenarien gespielt. Unter “Weird War” versteht man die Fikitionalisierung von vergangenen, echten Kriegen mit übernatürlichen Elementen. Am verbreitetsten und populärsten dürften solche Erzählungen über den Zweiten Weltkrieg und hier vor allem über die Deutschen und mutmaßliche Experimente sein. In diesen Geschichten tauchen untote Soldaten auf, Werwolf-Soldaten, wahnsinnige Wissenschaftler und skrupellose SS-Führer. Menschen haben Mutationen, sind genetisch verändert oder verfügen über bionische Gliedmaßen. Die Legenden über streng geheimes Waffenmaterial der Nazis sind in diesen Geschichten tatsächlich wahr – natürlich wurden Reichsflugscheiben entwickelt!

Klar, das ist alles Trash und deutlich dem Genre des Pulp zuzurechnen. Über Geschmack darf man da nicht so viel nachdenken. Ich kann für mich die Frage allerdings nicht beantworten, warum es dennoch faszinierend ist. Eines der schlimmsten Kapitel der Menschheitsgeschichte wird hier noch mit Fantasy und Science Fiction angereichert und dadurch übersteigert. Das braucht eigentlich kein Mensch. Die mir bekannten Umsetzungen des Themas behandeln die Konflikte allerdings auch immer aus Sicht der Alliierten. Die Schrecken der Deutschen erscheinen so als albtraumhafte Herausforderungen, die es heroisch übersteigert zu bezwingen gilt. Es dürfte kaum unangenehmere Begegnenungen geben, als einem genmodifizierten Supersoldaten mit Eisernem Kreuz auf der Brust gegenüberzustehen.

“Weird War” Adaptionen dürften viele kennen, die mit halbwegs offenen Augen durch die Popkultur-Landschaft der vergangenen Jahre gewandelt sind, aber als Szenario ist es doch bemerkenswert unbekannt geblieben – vielleicht, weil es thematisch so unangenehm ist?

Weird War in der Popkultur

An Filmen fallen mir spontan die populären Iron Sky 1 und 2 ein, die mehr oder weniger gekonnt mit den Mythen um eine geheime Mondbasis der Nazis oder eine hohle Erde mit Hitler und Dinos spielen. Beeindruckend hat das Thema auch der äußerst gewalttätige “Operation Overlord” von 2018 (produziert von J.J. Abrams!) umgesetzt und laut Kritiken, einen unverbrauchten Genremix zwischen Kriegs-, Horror- und Zombiefilm erschaffen. Hier geht’s zum Trailer:

Auch PC-Spielern dürfte das alles mindestens aus “Castle Wolfenstein” und seinen Ablegern bestens bekannt vorkommen. Im Kontext der Thematik und der Darstellung verbotener Symbole im Game war die inzwischen aufgehobene Indizierung der ersten beiden Spiele keine Überraschung.

Der Bereich der Rollenspiele und Tabletop Games hat dieses Szenario natürlich auch schon lange entdeckt. Modiphius hat schon vor Jahren erkannt, dass man das Thema sehr gut mit dem Cthulhu-Mythos mischen kann und daraus das Rollenspiel “Achtung! Cthulhu!” inkl. Tabletop-Ableger gemacht. So richtig ausgetobt haben sich dann die Schöpfer des bekannten Spiels “Konflikt ’47”, das mittlerweile von Warlord Games herausgebracht wird. Alle Seiten kämpfen neben den Soldaten auch mit Mechs und Walkern, die Sowjets haben Tesla-Panzer und Bären-Kämpfer, die Briten haben Pitbull-Einheiten und Roboter, die Amerikaner setzen vor allem auf Walker und Soldaten in Exo-Skeletten. Und die Deutschen? Naja, die tun halt, was die Deutschen in diesen Szenarien so tun. Allerhand Untote, medizinische Experimente und Schrecken aus der Hölle.

Wenn wir schon bei Zweitem Weltkrieg und Cthulhu sind, dann könnte man an dieser Stelle natürlich noch Hellboy und seine frühen Abenteuer einfließen lassen, denn er bekämpfte ja vor allem Rasputin und Nazis. Aber das ist Stoff für einen anderen Beitrag.

Vlad’s Army vs. Opas Einheit

Deutlich gemächlicher gehen es Crooked Dice mit dem “Vlad’s Army” Feature Pack für 7TV an. Der Geruch von Weird War hängt in der Luft, doch ich muss gestehen, dass zuvor mit mir das Kopfkino ein bisschen zu sehr durchgegangen ist. Ein wenig von dem, was ich oben skizziert habe, habe ich hier erwartet. Denn Crooked Dice bewerben das Produkt ja selbst mit “weird war” und “Nazi vampires”. Tatsächlich geht es aber ausschließlich um letzteres und die Verteidigung Englands.

In diesem Feature Pack wird die stille Invasion Englands durch Nazi Vampire im oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt. So weit, so gut. Die andere Hälfte der Story hatte ich aber geflissentlich übersehen: Die Kollision von “classic horror movies” und “gentle sit-coms”! Oha! Bei letzterem handelt es sich unübersehbar um die britische Sit-Com “Dad’s Army”, die hier mehrmals sehr explizit in Erscheinung tritt.

Ich kannte diese Serie gar nicht, bis Warlord Games vor einigen Jahren für Bolt Action ein Set mit den Charakteren der Serie herausgebracht hat. Meines Wissens nach kann man sie aber nirgendwo in Deutschland streamen (auf Youtube findet man aber einige Episoden) und sie dürfte auch hierzulande keine allzu große Bekanntheit haben. Völlig anders sieht es wohl in UK aus. Ich darf an dieser Stelle schamlos aus Wikipedia zitieren:

“Die einprägsamen Charaktere und wiederkehrenden Ausrufe der Serie beeinflussten die Popkultur im Vereinigten Königreich nachhaltig. Anerkennend wird die Serie als Denkmal für die oft vergessene britische Heimatverteidigung während des Zweiten Weltkriegs gesehen.”

Dad’s Army (Sitcom) – Wikipedia

Im Feature Pack “Vlad’s Army” bestehen die Profilkarten der guten Seite nun aus den Helden, die völlig eindeutig an die Charaktere der Serie angelehnt sind. Es geht also um alte Veteranen, die ein Küstenstädtchen gegen die übernatürliche Invasion verteidigen. So weit so cool. Leider fallen die Profilkarten ansonsten aber ziemlich generisch-soldatisch aus. Keine besonderen Helden, die dem Thema entsprechen würden. Die böse Seite kommt ziemlich konservativ mit ein paar Vampiren und untoten Soldaten daher. Ein bisschen verrückter hätte ich es mir schon gewünscht. Einen übernatürlichen Supersoldaten a la Captain America hätte man der untoten Brut zum Beispiel gegenüberstellen können. Andererseits sollen Feature Packs natürlich auch nur ein bestimmtes Thema möglichst stimmungsvoll behandeln. Für kreative Ausbrüche in Eigeninitiative bietet 7TV ja ohnehin genügend Material.

Das Feature Pack

Das Feature Pack ist an sich genauso rund wie die anderen Varianten. In der erneut coolen Pseuo-Retro-VHS-Hülle kommen der Episode Guide, die üblichen passenden Mdf-Token, Profile Cards, Maguffin Cards, Gadget Gards und natürlich passende Countdown Cards.

Der Episode Guide bedient sich des mittlerweile geübten Aufbaus: “The story so far” führt in die Hintergrund Story des gespielten Films ein und ist erneut ausgesprochen kreativ geschrieben. Sowas mag ich, da es die Metaebene von 7TV so hervorragend bedient und gleich zahlreiche eigene Gedanken zur Umsetzung in mir pflanzt. Die folgenden Kapitel “Campaign Play”, “Making Vlad’s Army” und “Central Casting Call” setzen sich mit den Besonderheiten dieses Feature Packs im Spiel auseinander und schließlich gibt es noch die gewohnte Minikampagne. Ich habe sie nicht gespielt, aber vom Konzept her lesen sich die drei Spiele unterhaltsam und schön passend.

Die Token dienen zur Markierung der neuen Status Effekte, die mit dieser Erweiterung eingeführt werden. Ein Marker ist z.B. für “Bitten” – klar, wer gegen Vampire kämpft, kann gebissen werden. Die Token sind wie immer aus bedrucktem MDF – ich bin zwar nicht der größte Fan von MDF-Markern, aber immerhin sind sie bedruckt und sehen vernünftig aus.

Die Zusatzkarten bringen wieder eine Menge Spaß ins Spiel. Countdown oder Maguffin Cards versorgen das Spiel mit genretypischen Wendungen, die Profilkarten versorgen beide Seiten mit einer Reihe passender Einheiten. Für mich persönlich fallen hier die Karten der heroic side ab, denn ich kenne die Vorlage nicht und die Karten scheinen sich ziemlich genau an den Charakteren aus der Serie zu orientieren. Für mich bedeutet das also, dass ich einen Haufen relativ generischer Soldaten bekomme, die hier und da unterschiedliche Profilwerte haben, im Kern aber einfach eine Truppe durchschnittlicher Soldaten sind. Bislang erkenne ich noch keinen Reiz darin, eine Gruppe alter Veteranen zu spielen, aber vielleicht ändert sich das ja noch, wenn ich die Serie einmal nachgeholt habe oder auf eigene verrückte Ideen komme.
Charmant sind die Gadget Cards, die einen mit sehr passenden Gadgets versorgen: Die Verteidiger haben “Holy Water”, “Garlic” oder auch “Malt Whisky” dabei, während die untoten Angreifer einen “Coffin”, “Sunblock” oder auch “Bloodbag” mit sich führen.

“Vlad’s Army” – Das Fazit

Insgesamt ergibt das wieder eine schöne thematische Einbettung in das Standardregelwerk, die das Szenario ausreichend behandlen dürfte (ich habe es noch nicht gespielt), ohne das Spiel zu überfrachten und mit Zusatzregeln zu komplex zu gestalten. Das Szenario empfinde ich als ziemlich spezifisch, aber es liegt ja auch an mir, dass ich die Vorlage nicht kenne (die in UK ja offenbar als Allgemeinbildung vorausgesetzt werden kann) und mich darüber hinaus im Moment nicht flexibel genug in Alternativanwendungen hineindenken kann. Wenn man die Profilkarten mit Standardkarten durchmischt, wird für mich vielleicht doch noch eine runde Sache daraus. Möglicherweise kommt es dann doch zu Hellboy und einer Gruppe GIs gegen Rasputin und Vampir-Nazis.

Wahrscheinlich muss ich Vlad’s Army wirklich einmal spielen. Aktuell finde ich es nett, aber die Kombination reizt mich nicht allzu sehr. Mal sehen, was ich daraus machen kann, wenn ich die Profilkarten dieses Packs mit anderen mische. Es könnte doch sehr spaßig werden!

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