Hobbyzeit

Das Thema Zeit/Zeitmanagement/Hobbyzeit ist für mich mittlerweile sehr präsent geworden. Freizeit ist knapp, Langeweile existiert nicht mehr und es kann fast schon in Stress ausarten, die diversen Interessen organisiert zu bekommen. Mit Malen und ein bisschen Sport bin ich neben Arbeit, Haushalt und Zeit mit Kind und Frau schon ausgelastet – keine Ahnung wie andere das machen. Serien/Filme werden rein gequetscht wenn’s geht, sehr oft mittlerweile nebenbei. Unterwegs Podcast. Die 20 Minuten Bahnstrecke zur Arbeit zwinge ich mich zum Lesen, weil ich sonst gar nicht mehr lesen würde. Wenn man das so niederschreibt klingt es tatsächlich stressig und unschön. Ich find’s aber okay. Meiner Familie wird viel Zeit eingeräumt, das ist es mir wert, dafür wird vieles andere gerne vernachlässigt. Ich bin eigentlich zufrieden, aber mehr Zeit wäre trotzdem auch ganz schön.

Kürzlich habe ich folgendes Interview mit Sid Meier gelesen, dem Schöpfer des PC-Spiels Civilisation:

“I’m not sure I’d play Civilisation if it was released today”

Seitdem denke ich nun umso mehr über das Thema Zeit nach. Er sagt, er könnte Civilisation heutzutage wahrscheinlich nicht mehr herausbringen, weil die Leute die Zeit (und Ruhe) nicht mehr aufbringen könnten:

“I don’t think I could make Civilisation today,” Meier says.
“I’m not sure even I would play it. It wouldn’t fit in the zeitgeist. It asks a lot of the player, and takes a while to work it out.
You have to play it once in order to understand what’s going on.
You have to be willing to spend time with it, and that’s not where most gamers are these days.
Civ came out at the perfect time.”

Damals sei es also einfach die richtige Zeit gewesen und heute wäre sie es nicht mehr. Das mag stimmen und passt ja auch zu anderen Beobachtungen über die heutige Keine-Zeit-Kultur. Trotzdem stimmt es einen nachdenklich und ich frage mich, ob es einfach der Lauf der Dinge ist und es dafür ja andere, positive Entwicklungen gibt oder ob es tatsächlich eine Unkultur ist.

Ich habe mich gefragt, ob sich eine ähnliche Sichtweise auch für unser Hobby ergibt. Gibt es Aspekte des Hobbys, die “damals” funktioniert haben und heute nicht mehr? Haben sie sich überlebt, sind durch anderes/besseres abgelöst worden oder fehlt vielleicht sogar tatsächlich die Zeit?
Grundsätzlich ist unser Hobby (wie vermutlich jedes Hobby) ja etwas, in das man gerne Zeit investiert. Man beschäftigt sich mit etwas, das man gerne tut, man entschleunigt, baut Stress ab. Vielleicht zieht man positive Energie daraus, freut sich über ein tolles Malergebnis, über Feedback von anderen. Es gibt viele Facetten an kreativen Hobbies, die sie zu einem wertvollen Zeitvertreib machen.

Trotzdem: Wenn ich zurückdenke an meine Hobbyzeit vor mehr als 20 Jahren, dann haben sich einige Dinge geändert. Zunächst einmal ist für viele von uns der Anspruch gestiegen. Die legendären grünen Warhammer-Bases der 80er und 90er waren damals Stand der Dinge. Viele klebten noch Grasstreu drauf, etwas fortgeschrittener war dann Sand mit einzelnen Grasflächen. Im Verhältnis dazu ist der Aufwand deutlich gestiegen, den wir in die Miniaturen stecken: Es werden Steine drapiert, verschiedene Tufts aufgeklebt, eventuell weitere Details angebracht. Von aufwändigen Inszenierungen mit Felsformationen aus Kork oder Gips oder postapokalyptischen Settings mal gar nicht zu sprechen. Alles das kostet Zeit. Es zahlt sich zwar im Ergebnis aus, aber es kostet Zeit.
Die Liste ließe sich fortsetzen, man denke nur an die hohe Qualität, die viele Spieltische heutzutage haben und eher wie Miniaturwelten wirken.

Sofern Hobbyzeit in unserem Hobby heute ein Thema ist, so vermute ich, dass der Mangel aber in erster Linie selbst gemacht ist. Nicht immer kann man selbst frei über seine Zeit bestimmen, oft wird sie ja auch durch äußere Faktoren und Verpflichtungen bestimmt. Dennoch ist es sicherlich oft so, dass wir uns die Zeitfresser selbst aufbürden. In meinem Fall ist es ganz klar ein übermäßiger Handykonsum mit Social Media und Newsseiten vorneweg. Oft genug ertappt man sich dabei, dass die letzten 10 Minuten keine sinnvoll genutzte Zeit waren und man sich leider nur wieder angesehen hat, was andere bereits fertiggestellt haben. Hätte man die Zeit mal lieber selbst genutzt!

Um auf das Interview mit Sid Meier zurückzukommen: Sowohl Video-Games als auch Tabletop haben sich in einigen Punkten deutlich verändert. Auch im Tabletop haben z.B. Skirmish-Systeme die klassischen Rank&File-Systeme abgelöst. Das hat sicherlich vielfältige Gründe, aber zwei oft gehörte Gründe sind Zeit und Geld. Zeit einerseits, weil man weniger Modelle bemalen muss um spielbereit zu sein und andererseits, weil die Spiele in aller Regel nicht so lang dauern.
Wahrscheinlich hatten wir damals alle mehr Zeit bzw. Hobbyzeit. Wir befanden uns in anderen Lebensphasen und konnten unsere Zeit anders nutzen. Aber haben wir sie auch wirklich besser genutzt? In meinem Fall kann ich das verneinen. Ich hatte mehr Zeit und habe sie teilweise auch genauso vergeudet. Halt nicht am Handy, dafür vielleicht in einem Forum, mit ICQ oder MSN. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich meine Zeit im Bezug auf das Hobby effizienter genutzt hätte. Der Pile of Shame war auch damals riesig.

Die nächsten Projekte stehen immer bereits in der Pipeline

Schlussendlich kann ich für mich feststellen, dass ich früher zwar mehr Zeit hatte, meine wenige Zeit heute aber besser organisiere. Gerade die wenige Zeit weiß ich zu schätzen und bemühe mich das meiste aus den Minuten herauszuholen. Unterm Strich bekomme ich sicherlich mehr fertig als früher, ganz einfach weil der Druck nun da ist. Ist das auch Stress? Eigentlich nicht. Hobbystress mache ich mir nur selbst, niemand zwingt mich, nichts muss fertig werden. Wenn ich mir Hobbystress mache, dann merke ich das meinen Ergebnissen an – keine gute Idee. Also gilt es umso mehr, die verfügbare Hobbyzeit als wertvoll zu begreifen, sinnvoll zu nutzen und für sich selbst das meiste daraus zu ziehen.

Veröffentlicht in Produktionstagebuch.

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