7TV von Crooked Dice gehört zu meinen absoluten Lieblingssystemen. Mit dem Klassiker „7TV Inch High Spy-Fi“ kann man jede Menge Agentenabenteuer erleben, „7TV Pulp“ erweitert das Feld nun um großartige neue Helden und Abenteuer. Wofür diese Starterbox gedacht ist, wieso es ein neues Genre braucht und was einen erwartet, das erkläre ich in diesem Review von 7TV Pulp.
Im Spiel 7TV geht es um das Nachspielen von Fernsehepisoden oder gar von Filmen. Man spielt zwar vordergründig ganz klassisch einen Konflikt zwischen zwei Parteien in einem Tabletop-Spiel. Tatsächlich stellen die Spiele aber die Dreharbeiten einer Fernsehepisode dar, weshalb spezifische Begriffe Anwendung finden. Das ganze ist schon sehr nerdig und meta, aber man muss es auch nicht so spielen. Ich jedenfalls finde es sehr unterhaltsam und als Filmfan ist es einfach das perfekte Spiel für mich. Der Spieler, der am Zug ist, ist „on screen“, die Spielfiguren heißen „Star, Co-Star, Extra,..:“, die Punktwerte der Figuren werden mit „ratings“ verglichen. An allen Ecken und Enden begegnen einem solche kleinen Details, die insgesamt ein sehr atmosphärisches Spiel schaffen.
Schön ist, dass 7TV lediglich ein Regelkorsett mit völlig generischen Spielfiguren liefert. Der eine Star ist ein Agent, der andere ein Abenteurer, der Villain ein verrückter Wissenschaftler. Füllen kann man dies dann mit so viel Leben wie man möchte. Natürlich bietet es sich an, dass der Agent James Bond ist. Der Abenteurer könnte Indiana Jones sein. Für den Gegner nimmt man passenderweise Bonds Nemesis Blofeld oder einen Nazi-Schergen, der mit Indiana Jones um die Bundeslade kämpft. Die Möglichkeiten und die Flexibilität sind nahezu unbegrenzt.
Warum braucht es 7TV Pulp?
Bislang sind drei Starterboxen erschienen: „Inch High Spy-Fi“, „Pulp“ und „Apocalypse“. Eine Fantasy-Box ist angekündigt und die Vorfreude ist bereits riesig. Jede dieser Starterboxen enthält die Grundregeln, die im Prinzip immer gleich sind und je nach Genre einige Zusatzregeln mitbringen. Mit der Spy-Fi-Box kann man in modernen Settings eigentlich das meiste abdecken. Ich habe sie hier vorgestellt.
Apocalypse besitze ich bislang noch nicht. Sie bringt Regeln und Mechanismen für Spiele zwischen Mad Max-artigen Szenarien und dem Kampf gegen Zombies und mutierte Kreaturen mit. Finde ich auch spannend, bislang habe ich aber kaum Figuren dafür und sehe hier noch keine hohe Prio.
Pulp hingegen ist eine Herzensangelegenheit. Ob maskierte Rächer wie The Shadow, Green Hornet oder Das Phantom, Abenteurer wie Indiana Jones oder Brendan Frasers Charakter in Die Mumie (wie hieß der eigentlich?), okkulte Geheimgesellschaften, die Satan, Cthulhu oder sonst wen anbeten, die Liste ließe sich lang fortsetzen. Das ist der Stoff, aus dem spaßige Hollywood-Filme gemacht sind. Warum nicht auch meine Tabletop Games?
7TV Pulp fängt dies in einer liebevoll gestalteten Box mit ganz eigener Ausgestaltung des Genres ein. Schauen wir uns das ganze einmal genauer an:
Die Box
Die grundlegenden Regeln sind immer die gleichen, derzeit wird die 2. Edition von 7TV gespielt und das wird höchstwahrscheinlich auch noch lange so bleiben. Die Boxen sind vom Inhalt her alle ähnlich aufgebaut und jede greift in Design und Ausgestaltung das jeweilige Genre auf. Dabei liefern die Boxen lediglich das Spielmaterial, es sind keine Miniaturen und auch kein Gelände enthalten. Wer komplett neu einsteigen muss, der müsste sich zusätzlich noch zwei passende Gruppen passender Miniaturen besorgen – hier kann man immerhin unabhängig vom Hersteller so ziemlich alles zusammenwürfeln, was zum Thema passt und vernünftig aussieht. Ein Messinstrument in Zoll müsste man noch mitbringen.
Konkret enthalten in der Box sind der Directors Guide (Regelbuch), der Producers Guide (Quellenbuch zur Gestaltung der Spiele) und der Casting Guide (Quellenbuch zur Rekrutierung des Casts. Die Rückseite des Directors Guide enthält diesmal einen übersichtlichen Quick Reference Sheet, so dass man die wichtigsten Begriffe und Werte gleich auf einen Blick hat, was ich eine Verbesserung gegenüber der Spy Fi-Box finde.
Allerhand Spielkarten wie Unit Cards mit den Profilen der Miniaturen, Gadget Cards für Ausrüstung, Maguffin Cards und Peril Cards für einen besonderen Knuff des Spiels, sind ebenso enthalten wie Würfel, eine Schablone, Marker und Token und ein kleiner Maguffin aus Zinn. Alles macht einen hochwertig verarbeiteten Eindruck und ist passend designed.
Der Producers Guide – Film ab!
Spezielle Erwähnung verdient auf jeden Fall der Producers Guide. Ihn gab es bei der Spy-Fi-Box noch nicht und hier merkt man auch deutlich, dass Crooked Dice bei der Erstellung dieser Box von Studenten der Edge Hill University für Kreatives Schreiben unterstützt wurden. Der Producers Guide versorgt einen mit Ideen zur Spielgestaltung und konkreten Szenarien. Der Großteil des Buches ist fluffiger Natur und wird nicht unbedingt benötigt. Im Spiel wird angenommen, es gäbe das fiktive Filmstudio Pinnacle Pacific Pictures, das vom umtriebigen Produzenten Spenser Packard gegründet wurde – er ist gemäß der Natur alter Pulp Fiction Magazine auch als „King of Cliffhangers“ bekannt.
Nach einem Abriss der Geschichte des Filmstudios, stellt der Producers Guide nun drei verschiedene Filme des Studios vor, die eine Idee der möglichen Spiele liefern sollen, jeweils empfohlene Charaktere benennen und den Charakter der verschiedenen Genres transportieren: „Trials of the Lizardmen“ ist ein Film, bei dem sich Abenteurer durch unerforschten Dschungel wagen und auf Echsenmenschen treffen, die natürlich gleich einen von ihnen entführen. Es bieten sich folglich viele Spielszenarien an: Erster Kontakt/Kampf, Befreiung, Flucht,… In deinem Kopf läuft bestimmt auch bereits ein Film ab.
Der nächste Film ist Rhodes to the Stars, ein Abenteuerfilm im Weltraum, der irgendwo zwischen Star Wars und Flash Gordon angesiedelt sein könnte. Mich reizt es aktuell weniger, aber das ist in ein paar Monaten bestimmt schon wieder ganz anders.
Der dritte Film ist „G-Men vs the Shadow Ring“ und behandelt die Ermittlungen und den Kampf einer Regierungsorganisation gegen eine sinistre Sekte. Auch ohne weitere Worte dürfte man gedanklich schnell in entsprechende Szenarien finden. So einfach und so generisch sind die Ideen gehalten, aber mit den richtigen Mechanismen findet man sich sofort in der Geschichte wieder. Es geht um Weltraumabenteuer, Archäologische Missionen, die das böse Alte wecken, düstere Geschichten von kosmischem Horror Lovecraftscher Natur – die Möglichkeiten sind unendlich.
Wie funktioniert 7TV Pulp?
Die Regeln sind, wie gesagt, die gleichen wie auch schon bei 7TV Inch High Spy-Fi, weshalb ich ungeniert auf meinen Beitrag dazu verweise. Ich habe dort grob erläutert, wie die Spielmechanismen funktionieren und was die Besonderheiten sind. Dieses mal ist lediglich das Setting ein anderes, ansonsten ist das Spiel aber gleich geblieben und könnte mit den notwendigen Karten auch vollständig mit dem anderen Regelbuch gespielt werden. Die einzige Ausnahme sind:
Maguffins und Perils – für besonderes Pulp-Feeling
Wer möchte, der kann sich in den 7TV Pulp-Spielen auf die Jagd nach einem Maguffin machen. Es ist der eine zufällige Gegenstand, der in Filmen immer wieder benutzt wird um die Handlung voranzutreiben, der selbst aber eigentlich keine größere Bedeutung hat. Auf der Jagd nach irgendeinem Schatz oder einem arkanen Gegenstand mit übernatürlicher Macht kommen sich unsere Helden und die Schergen eines finsteren Gegenübers immer wieder in die Quere. Was wir erleben sind die Abenteuer rund um die Jagd, der Gegenstand selbst ist eigentlich nur Handlungsmotor. Manche Filme kommen komplett ohne irgendeine Funktion des Maguffins aus, in den Indiana Jones Filmen passiert immerhin nochmal etwas mit der Bundeslade. Der Koffer in Pulp Fiction ist einer, sogar der Ring in Herr der Ringe kann so gesehen werden.
Im Spiel kann dieser Gegenstand völlig optional eingesetzt werden und verleiht diesem eine zusätzliche Dynamik. Die Seite, die den Maguffin aufsammelt, besitzt ihn als Team und lässt ihn fallen, sobald ein Modell ausgeschaltet wird. Der Gegner kann ihn dann wieder aufsammeln. Am Ende beschert der Maguffin wertvolle Siegpunkte. Man kann sich gut vorstellen, wie der Maguffin bei einem zünftigen Handgemenge oder einer wilden Verfolgungsjagd immer wieder die Seiten wechselt. Einige Szenarien empfehlen sogar den Einsatz eines Maguffins, um das cineastische Gefühl zu erhöhen. In der Box sind 20 Maguffin-Karten enthalten.
Ein anderer optionaler Kniff sind die Peril Cards. Sie bringen eine unbekannte zusätzliche Gefahr in die Spiele, die beide Seiten bedrohen kann. Na klar, Abenteuerfilme beinhalten Krokodile, Riesenschlagen oder -spinnen, Aliens, Monster, wilde Bestien und mehr. Um dieses chaotische Momentum ins Spiel zu bringen, kann man mit Peril Cards spielen.
Die Bedrohungen sind nach Genres sortiert, so dass man passende Bedrohungen auswählen kann. Dann mischt man entweder den Stapel und zieht zufällig oder man sucht sich vorher einfach etwas aus, das einen besonders reizt. Eine Karte pro Spiel sollte ausreichen. Die Bedrohung wird dann von jedem Spieler in seinem Spielzug nach einem Wüfelwurf zufällig bewegt und kann die eigenen oder die gegnerischen Miniaturen angreifen – das sorgt für reichlich Chaos und erinnert an Jurassic Park und Co, wenn in die Auseinandersetzung zweier Gruppen plötzlich ein wütender T-Rex platzt.
Fazit
Die 7TV Pulp Box gefällt mir ausgesprochen gut. Das Spiel mag ich ohnehin, ich finde aber, die Anpassung an das Pulp-Genre hat wunderbar geklappt. Es sind nur einige Mechanismen, die hinzugefügt werden, die aber schon den entscheidenden Faktor für das passende Feeling bieten. Profilkarten, Gadgets und Perils bringen viele Elemente ein, die das Spiel gleich zum erlebten Film machen. Man höre sich nur die Genres an, denen die Charaktere angehören: Amazing Tales, Crime Busters, Gangland Stories, Mystery Theatre, Thrilling Adventures, Weird Menace. Da ist doch alles klar, oder?
Wie auch schon bei der Inch High Spy-Fi-Box bleibt die Feststellung, dass alles liebevoll designed und aus hochwertigen, stabilen Materialien gefertigt ist. Da aber keinerlei Spielfiguren vorhanden sind und es daher nur bedingt eine Starterbox ist, finde ich den diesmal noch etwas höheren Preis von 60€ recht stolz. 7TV ist in meinen Augen aber ein so schönes, unterhaltsames Spiel, das vor allem für Filmfreunde einen großen Mehrwert bietet, dass sich die Investition lohnen sollte. Stabile Englischkenntnisse sind leider nach wie vor erforderlich.
Ich freue mich sehr auf die ersten Pulp-Spiele. Definitiv kommt Indiana Jones zum Zuge und als großer Lovecraft-Fan wird es definitiv auch ein paar Ermittler in ein seltsames Fischerdorf irgendwo in Neuengland verschlagen.
Zur Website und zum Shop von Crooked Dice geht es hier: Crooked Dice Game Design Studio – Wargaming in the world of cult TV (crooked-dice.co.uk)
In Deutschland ist 7TV bei Battlefield Berlin und Miniaturicum erhältlich. Beide bestellen übrigens auch Artikel mit, die eventuell derzeit nicht im Shop zu finden sind.