7TV Fantasy (Review)

Als großer Fan von 7TV: Inch High Spy-Fi war ich sehr gespannt auf Crooked Dices jüngsten Ableger des tollen 7TV Systems. Nach Ausflügen in die Genres „Pulp“ und „Apocalypse“, die beide relativ eng auf Inch High Spy-Fi basieren, fällt der Sprung in das Fantasy-Genre nun etwas größer aus. Ich spiele gerne Fantasy Settings, komme von Warhammer Fantasy und habe mich im Herr der Ringe-Tabletop sehr wohl gefühlt. Nach den positiven Erfahrungen mit Inch High Spy-Fi wollte ich mir unbedingt ansehen, was das System in meinem Lieblingssetting hervorbringen würde.

Die Idee hinter dem 7TV-Spiel ist, dass man im Spiel den Dreh eines Films oder einer Fernseh-Episode nachspielt. Der Untertitel bringt es auf den Punkt:

Cinematic Skirmishing in Fantasy Worlds

Es handelt sich um figurenagnostische Systeme, man kann also mit allem spielen was einem passend erscheint. Crooked Dice bietet natürlich jeweils eigene Miniaturen an, aber alles andere ist genauso möglich. Wo „Spy-Fi“ zunächst an James Bond erinnert, „Pulp“ deutliche Indiana Jones-Vibes versprüht und „Apocalypse“ ohne Mad Max gar nicht zu denken ist, lässt einen „Fantasy“ ganz klar an Conan, Xena udn Konsorten denken. Man muss klar sagen: Gedanklich fußt 7TV Fantasy natürlich auf den Fantasyfilmen der 80’er und frühen 90’er, bevor das Genre für einige Jahre als völlig tot galt. Die Fernsehserien um Herkules und Conan waren etwas langlebiger, aber danach war es für viele Jahre vorbei. Die allermeisten Vertreter dieses Genres waren trashig und weit entfernt von den hochklassigen Produktionen unserer Zeit. Damit spiel natürlich auch 7TV Fantasy.

In allen Spielen ist das Regelkorsett so flexibel und generisch gehalten wie möglich. In „Fantasy“ kann man mit einer selbst ausgedachten Heldentruppe spielen, man kann aber auch seine Miniaturen aus Mittelerde, Game of Thrones oder anderen Franchises nutzen. Ich freue mich schon darauf, einen Cast aus Aragorn, Legolas und Gimli zu bauen und mich mit diesen auf der Suche nach Hobbits durch eine Gruppe Orks zu schnetzeln.

Da ich finde, dass man 7TV auf jeden Fall noch stärker in Deutschland bekannt machen muss, möchte ich hier nun auch die „Fantasy“-Box vorstellen.

Die Box

Alle aktuellen 7TV-Boxen verwenden die Regeln der 2. Edition. Die Grundmechanismen sind gleich und die Boxen sind ähnlich aufgebaut. Mir gefällt, dass alle Boxen entsprechend designed sind und man schon durch die Spielmaterialien ein Gefühl für das Setting bekommt. In 7TV Fantasy ist alles möglich, der Aufmachung nach geht es aber klar um High Fantasy: Wir sehen Elfen und Zwerge, fürchterliche Skelettkrieger und Drachen. Alle Spielkomponenten sind entsprechend gestaltet ohne sich zu sehr auf einen konkreten Film zu stützen. Das gefällt mir. Gut, schauen wir uns die Box also genauer an:

7TV Fantasy Boxed Set by Crooked Dice contents

Wie alle anderen 7TV-Boxen auch, enthält diese Box die notwendigen Spielmaterialien. Zusätzlich benötigt man lediglich ein Messinstrument in Zoll und natürlich die Miniaturen. Zusätzliche W6-Würfel können auch nicht schaden. Miniaturen sind in den Boxen grundsätzlich nicht enhalten, man kann allerdings auch mit allem spielen was einem passend erscheint. Crooked Dice hat mittlerweile eine große Bandbreite an passenden Figuren mit popkulturellen Bezügen. Im Rahmen des Box-Releases kamen z.B. Miniaturen mit Bezügen zu Xena oder The Witcher heraus, sowie eine Vielzahl generischer Helden und Gegner. Ich bin sicher, die allermeisten Leser werden bereits eigene Fantasymodelle haben, die man gleich verwenden kann.

Was ist also genau in der Box?

Konkret enthält die Box den Director’s Guide (Regelbuch), den Producer’s Guide (eine Art Quellenbuch, um die Spiele zu gestalten), den Casting Guide (ein Quellenbuch, um die Spielfiguren zusammenzustellen), den Encounter Guide (für zufällige Non-Player Begegnungen mit Monstern o.ä.), ein Quick Reference Sheet (wichtigste Begriffe schnell zusammengefasst), je einen Stapel Heroes, Villains und Monster Profilkarten, einen Stapel Trilogy Karten, einen Stapel Maguffin Karten, einen Stapfel Artifact Karten, Counter, MDF-Marker, Würfel und MDF-Schablonen für verschiendene Effekte. Puh, das ist eine ganze Menge Papier und Kleinkram.

MDF-Schablonen lösen das einstige Plastik ab

Alle Teile sind hochwertig verarbeitet, aus festem Hochglanzpapier, Pappe und MDF (Schablonen) oder Glas (Counter). Die Box selber ist aus sehr stabilem Karton und macht einen wertigen Eindruck. Das Design gefällt mir sehr gut. Besonders schön finde ich, dass die Bücher erneut eine Vielzahl szenischer Fotos von Meistermaler und -fotograf Kevin Dallimore enthalten. Sie zeigen unterschiedlichste Begegnungen, die an Fantasyfilme angelehnt sind und erinnern erfreulich oft an Ray Harryhausens beste Momente. Dieses mal erscheinen mir einige der Karten erstmals als relativ klein und dünn – die Trilogy Karten etwa. Da sie in jedem Spiel mehrmals in die Hand genommen werden, habe ich meine Zweifel, ob sie langlebig sind. Abnutzung und Knicke erscheinen mir wahrscheinlich. Eventuell muss man sie besser schützen, was bei der Anzahl allerdings mit einigem Aufwand verbunden ist. Vielleicht trügt mich der Eindruck auch, ich wollte es aber erwähnen, da ich ansonsten sehr zufrieden mit der Qualität bin.

Gegenüber 7TV Inch High Spy-Fi hat sich die Zahl der Materialien nochmals erhöht. Es sind mehr Karten im Spiel und sogar die Nachschlagewerke sind mehr geworden. Das bedeutet aber nicht automatisch auch eine höhere Komplexität. Die relativ hohe Zahl an Karten wird nicht vollständig im Spiel benötigt. Der Directors und der Casting Guide statten einen mit den Regeln und allem Wissenswerten rund um das Spiel aus.

Eine Neuheit enthält der Producers Guide: Er beschäftigt sich voll und ganz damit, ein filmisches Spiel nachzuspielen. Dafür wird auch vorgeschlagen mittels Würfelwurf eines von 7 Szenarien auszuwählen, die vom Kampf über die Flucht bis zum Diebstahl reichen. Eine Reihe von Beispielen klassischer Fantasyfilme hilft einem bei der Ausgestaltung der Spiele. Der Guide könnte vernachlässigt werden, er macht aber einen Teil des Spaßes aus und es ist viel Liebe und Nerd-Wissen hineingeflossen. Dies ist schon zu spüren daran, dass die ersten vier Seiten von der fiktiven Filmbesprechung der fiktiven DVD-Box „Bear and Wolf Saga“ inkl. des großartigen, aber ebenso fiktiven „Orso the Fearless“ beansprucht werden. Das macht Spaß und regt an zur eigenen Gestaltung des Spiels. Hier ist deutlich zu spüren, dass Crooked Dice bei der Entwicklung von Studentinnen und Studenten eines Studiengangs für Kreatives Schreiben unterstützt wurden. Als Filmfan geht mir dabei das Herz auf!

Von den vielen weiteren Karten wählt man vor dem Spiel nur diejenigen aus, die im Spiel auch Verwendung finden, die Profilkarten der Helden etwa. Tatsächliche Spielrelevanz hat das Trilogy-Deck. Wie das funktioniert, dazu kommen wir jetzt:

Die Regeln

Im Kern ist 7TV: Fantasy ein klassisches 28mm Skirmish mit 5-10 Miniaturen pro Seite. Größere Spiele sind auch möglich, es werden aber eher keine Massenschlachten gespielt. Wie bereits erwähnt, spielt man keinen echten Konflikt, sondern man befindet sich inmitten der Dreharbeiten einer Fernsehepisode. Die eigenen Miniaturen unterteilen sich daher in „Star“/Hauptdarsteller, „Co-Star“/wichtige Nebendarsteller und „Extras“/Nebendarsteller/Statisten. Die Gruppe ergibt den „Cast“, Fähigkeiten sind „special effects“, besondere Fertigkeiten deiner Stars sind „star qualities“, der Punktwert deines Casts wird gemessen als „rating“, das Spiel an sich wird „chapter“ genannt und der Spieler, der aktuell an der Reihe ist, ist „on screen“. Diese für das Spiel selbst nicht relevanten Bezeichnungen tragen schön zur Atmosphäre bei. Es lohnt sich tatsächlich, in die Rolle des Produzenten zu schlüpfen.

Die Bewegungs- und Aktionsregeln entsprechen weitestgehend gängigen Skirmish-Regeln. Dabei können die Modelle nahezu frei mit der Umwelt interagieren: Rennen, klettern, schwimmen, Gebäude betreten usw. Die Spieler ziehen nacheinander und handeln jeweils den vollständigen Spielzug ab, bevor der Mitspieler wieder dran ist. Der Zug ist unterteilt in drei Phasen: 1. Trilogy Phase, 2. Action Phase, 3. End Phase.

Innovation!

Bei der Trilogy Phase kommt eines von zwei innovativen Spielelementen zum Tragen: Die Trilogy Karten. Sie unterscheiden sich in „Act One“, „Act Two“ und „Finale“ und versorgen das Spiel mit der Würze einer dramatischen Fernsehepisode. Dabei symbolisiert der erste Akt den Beginn einer Fernsehepisode, wo es eher um Bewegung und Stellungsspiel geht. In Akt Zwei geht es ans Eingemachte: Die Karten behandeln vor allem Action. Die Finalkarten machen das Ende des Spiel ein Stück weit unberechenbar – Wenn die Helden das gegnerische Versteck infiltrieren kann schließlich alles passieren!

Die Karten werden innerhalb ihres Akts gemischt und dann in der Reihenfolge 1-2-Finale verdeckt abgelegt. Die Spieler ziehen zu Beginn der Trilogy Phase eine oder zwei Karten oben vom Stapel, wobei in letzterem Fall nur die zweite Karte gespielt und die erste Karte ignoriert und abgelegt wird. Wenn der ganze Trilogy-Stapel leer ist, ist das Spiel vorbei. Mit dem Ziehen von zwei Karten kann man also das Spiel beschleunigen und kommt schneller in den zweiten Akt oder das Finale.

Das zweite innovative Spielelement sind die Plot Points. Dabei handelt es sich um ein Punktsystem, das sich vor allem auf die Aktivierungsmöglichkeiten im eigenen Zug auswirkt. Die Modelle auf dem Spielfeld generieren Plot Points, das Ziehen einer Finale-Karte generiert Plot Points, das Gewinnen oder Verlieren des Initiativewurfs vor Spielbeginn generiert ebenfalls welche. Die Anzahl der Plot Points ist also in jedem Zug verschieden. Man stellt die Plot Points z.B. mit den Glassteinchen aus der Box dar und erhält so jeden Zug eine Anzahl, die man nun für Aktivierungen und besondere Aktionen ausgeben kann. Es ist also einem gewissen Zufallselement unterworfen, wie viele Aktionen man pro Zug machen kann.

Eine schöne Idee finde ich, dass jede Seite einmal im Spiel ankündigen kann „die Szene zu stehlen“. Am Ende des Zuges erklärt man dies und kann unmittelbar einen zweiten Zug anfügen, generiert dafür im folgenden Zug aber weniger Plot Points. Man kann die Szene nicht in der Finalphase stehlen.

Unterm Strich bietet 7TV: Fantasy abwechslungsreiche und witzig-spannende Runden mit simplen Aktionsregeln, die aber sehr viele Möglichkeiten bieten. Bis hierher funktioniert das Spiel im Prinzip wie die anderen Varianten von 7TV.

Magie und Monster!

Eine spezifische Neuheit sind die Magie und die Encounter-Regeln. Na klar, High Fantasy Settings ohne Magie sind nicht vorstellbar. Dementsprechend haben natürlich auch die eigenen Helden magische Fähigkeiten, magische Gegenstände oder sind gar Zauberer. In 7TV: Fantasy wird dies recht schlank abgehandelt und durch 6 Magiebücher repräsentiert, genannt „Grimoires“. Die Magiebücher definieren eine Auswahl an bestimmten Zaubersprüchen, so wie manche es vielleicht von früher von den Magie-Lehren in Warhammer kennen.

Ein anderes Element, das mir sehr gut gefällt ist der Encounters Guide. Man geht davon aus, dass unser Spiel in einer fantastischen Welt stattfindet, in der zwei Konfliktparteien im Streit um einen magischen Schatz jederzeit von einer bösen Überraschung gestört werden können. Vielleicht wussten wir nicht, dass unsere Suche uns mitten in die Höhle einer gigantischen Spinne geführt hat? Vielleicht platzt mitten in unsere Keilerei ein großer Zyklop oder eine Gruppe von Trollen? Der Encounter Guide handelt all dies ab, er ist aber ausdrücklich ein Bonus. Wer sein Spiel aufpeppen will, kann dies nun tun. Wer klassisch einen Kampf zweier Parteien ausfechten möchte, der kann ebenso gut auf dieses Element verzichten. Schöne Idee, die für viel Atmosphäre sorgt, wenn man möchte.

Der Casting Guide

Die klassische Armeeaufstellung/Armeeliste wird in 7TV mit der Zusammenstellung des Casts abgehandelt. Die Gesamtzahl aller Stars, Co-Stars, Extras und co ergibt das Rating, das dem das gegnerischen Casts entsprechen muss. Es gibt heroic und villainous casts, aus deren Darstellern man mehr oder weniger frei wählen kann. Heroic Casts tendieren dazu mehr Stars und Co-Stars zu beinhalten, villainous casts haben eher einfache, aber zahlreiche Schergen dabei. Klar, wir haben die Heldentruppe auf der einen und einen Haufen Orks, Goblins oder Skelette rund um einen mächtigen Anführer auf der anderen Seite.

Der Casting Guide führt einen durch die zahlreichen Optionen für die Zusammenstellung des Casts. So kann der heroic cast z.B. vom Brooding Barbarian, dem Divine Mortal oder dem Tragic Hero angeführt werden. Auf der villainous Seite könnte es der Ambitious Usurper, der Vile Necromancer oder der Wolfish Warlord sein. Die Optionen für Extras schließlich erstrecken sich über mehrere Seiten und bieten von Zwergen über Riesenadler bis zu Dämonen und Ghoulen alles was das Herz begehrt.

Die Profilkarten versorgen einen zwar bereits mit spielfertigen Charakteren, man kann aber auch eigene Stars erstellen, die über die gewünschten Eigenschaften verfügen.

Diesmal auch mit Quick Reference Sheet

So schlüssig alle Regeln und Mechanismen auch sind, es ist dennoch eine Fülle an Regeln. Die fluffige Umbenennung vieler Begriffe kann eine zusätzliche Hürde beim Auswendiglernen darstellen. Umso mehr ist zu begrüßen, dass Crooked Dice dieses mal ein sechsseitiges Quick Reference Sheet beilegen. Auf diese Weise kann man gleich auf einen Blick sehen, unter welchen Umständen Plot Points generiert werden, welche Aktionen ein aktiviertes Modell hat, wie Magie abgehandelt wird, wie man für Angriff und Verteidigung würfelt und welche Effekte es gibt. Das erleichtert vieles.

Fazit

Die 7TV: Fantasy Box ist ein rundum tolles Starterset. Sie ist flexibel anwendbar und man kann die Lieblingsfilme und -serien nachspielen oder einfach mit einer handvoll alter Warhammer-, Confrontation- oder DSA-Miniaturen kreativ sein.

Günstig sind alle Boxen allerdings leider nicht. Die Fantasy Box kostet 60 Pfund, wobei lediglich die oben genannten Kompenten enthalten sind, keine Miniaturen. Ein Starterset in dem Sinne ist die Box nicht, da man auf jeden Fall noch Zusatzkäufe machen muss um spielbereit zu sein. Wer bereits über einen kleinen Stock an passenden Miniaturen verfügt, der kann dann natürlich gleich loslegen. Andernfalls kann man sich problemlos inspirieren lassen und hinzukaufen, was einem gefällt. Die Crooked Dice Boxen sind hochwertig gemacht, toll designed und Qualität für’s Geld, aber sie sind dennoch vergleichsweise teuer. Wer Versand und Versteuerung aus UK scheut, der wird in Deutschland z.B. bei Battlefield Berlin oder Miniaturicum fündig.

Ich halte 7TV: Fantasy für ein geniales Spiel, das meines Erachtens aber viel zu wenig Bekanntheit in Deutschland hat. Sicherlich ist die Sprachbarriere ein Faktor, eine Übersetzung ist aber mit Sicherheit nicht zu erwarten. Sofern Euch englischsprachige Regeln nicht stören, freue ich mich, wenn Ihr mal reinschaut. Fragen oder sonstiges Feedback gerne in die Kommentare!

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